Lehrgang Bodenarbeit

Aufgrund der hohen Nachfrage bieten wir einen weiteren Lehrgang „Bodenarbeit“ unter der Leitung von Michel Hansmeyer am Sonntag, den 10.03.2019 an.
Es werden diesmal jeweils nur 2 Pferde nebst dazugehörenden Reitern in einer Trainingseinheit von einer Stunde unterrichtet. Die Kosten betragen 20€ pro Pferd.
Die Liste zum Eintragen findet ihr in der kleinen Reithalle.

 


 

„Jedes Pferd ist eine eigene Meinung auf vier Hufen“

Interview mit Michel, einem Verhaltenstherapeuten für Pferde

 

Er ist ein Mann ohne Nachnamen und seine „Berufsbezeichnung“ hört sich an wie ein großes Geheimnis. Auf den Reiterhöfen – mittlerweile deutschlandweit - heißt er nur „der Michel“ oder wird ehrfurchtsvoll „Pferdeflüsterer“ genannt – was er nicht gern hört. Er ist ein kleiner Mann Anfang fünfzig in grober Arbeitskleidung, der stets ein freundliches Lächeln im Gesicht trägt, halb versteckt unter seiner obligatorischen Baseballkappe. Auf dem Hof Frenz trafen wir ihn zum Gespräch und beobachteten ihn bei seiner Arbeit.

Lieber Michel, andere nennen dich Pferdeflüsterer, wie nennst Du Dich selbst?

Es gibt keine Pferdeflüsterer. Meine Arbeit ist reine Psychologie. Ich mache das mit den Pferden, was sie untereinander in der Herde machen, wenn sie spielen und sich auseinandersetzen. Ich beobachte ihre Körpersprache, ihre Mimik, ihre Verhaltensmuster. Wenn ich mit ihnen arbeite, kläre ich die Rangordnung ganz nebenbei. Meine Erfahrung und ein gutes Timing kommen mir dabei zu Gute. Müsste ich meine Berufsbezeichnung in ein Formular eintragen, würde ich schreiben: Verhaltenstherapeut für Pferde.

Das ist kein Ausbildungsberuf – wie bist Du dazu gekommen?

Ich komme aus einer Pferdefamilie. Mein Großvater züchtete schon Kaltblüter, mein Vater hatte immer mehrere Pferde auf dem Hof. Ich lebe von Geburt an mit Pferden, habe Pferdewirt und Rennreiter gelernt. Ich habe nie geplant, Verhaltenstherapeut für Pferde zu werden, es hat sich so ergeben. Irgendwann habe ich eine Schulung nach dem Parelli Prinzip gemacht – das war für mich das Tor zu einer neuen Welt. Das Parelli Prinzip vermittelt die Philosophie der Ureinwohner Amerikas, die Pferde einfach zu beobachten, um sie zu verstehen. Sie geben klare Zeichen – doch man muss sie auch sehen und verstehen können.

Wenn früher ein Pferd nicht auf den Hänger gehen wollte, kam der große Reisigbesen zum Einsatz – heute klingelt stattdessen in solchen Fällen oft Dein Telefon. Wie kommt das, was hat sich in der Reiterszene verändert?

Zum Glück hat sich seit einigen Jahren das Bewusstsein der Menschen im Umgang mit dem Pferd geändert. Die Leute arbeiten häufiger mit dem Pferd und nicht am Pferd. Das ist großartig. Ich würde mir wünschen, dass sich diese Entwicklung noch weiter fortsetzt - nicht, dass ich unterbeschäftigt wäre. Aber früher war ich der Blödmann mit dem langen Strick, heute müssen die Leute bei mir ein halbes Jahr auf Termine warten. Ich finde es toll, dass die Menschen mittlerweile häufig viel einfühlsamer mit den Pferden umgehen und sie verstehen wollen, anstatt sie zu dominieren. Das ist der richtige Weg.

Apropos Strick: Auf den Höfen sieht man dich häufig mit besagtem langen Strick und einer Art „Peitsche“ – wozu brauchst du diese Dinge?

Beides sind quasi Verlängerungen meiner Arme. Die „Peitsche“ ist mein „Arbeitsstecken“, ein ganz leichter Fieberglasstab. Mit ihm gebe ich Pferden die Richtung vor. Ein Pferd kann bis zu 2000 Zeichen verstehen – das muss der Mensch erstmal begreifen. Arbeite ich länger mit Pferden, reagieren sie manchmal auf kleinste Handzeichen oder auch nur auf eine veränderte Stellung meiner Füße.

Wie gehst Du vor, wenn du zu Hilfe gerufen wirst?

Ich höre mir an, was der Besitzer des Pferdes mir sagt, mache mir dann jedoch mein eigenes Bild. Jedes Pferd erzählt durch sein Verhalten seine eigene Geschichte, durch sein Aussehen, seine Reaktionen und besonders durch Überreaktionen. Man muss dem Pferd zuhören. Das fängt schon beim Rausholen aus der Box an, dann beim Satteln. Oft müssen auch erstmal körperliche Probleme medizinisch abgeklärt werden, der Pferde-Osteopath kommen oder der Pferde-Zahnarzt, bevor ich richtig mit der Arbeit starten kann. Es gibt nie ein Pauschalrezept, jedes Tier ist anders. Eines habe ich gelernt: Es gibt keine schlechten Pferde, nur Pferde mit schlechten Erfahrungen.

Wenn man dich im Umgang mit Pferden sieht, hat man den Eindruck: Der Mann hat unendlich viel Zeit und eine grenzenlose Geduld. Wo liegen die meisten Probleme, die du lösen sollst – ist es die mangelnde Geduld des Menschen oder welche Ursachen für Probleme siehst du?

Menschen machen zu viel zu schnell in zu wenig Zeit. Meist geht es ums Geld: Pferde sollen gewinnbringend verkauft werden. Doch Pferde sind immer hochgezüchteter, immer sensibler und anfälliger. Die Menschen vergessen, dass Pferde Autisten sind. Sie lieben die Beständigkeit und wiederkehrende Muster. Das gibt ihnen als Fluchttieren Sicherheit. Meine Geduld und Beharrlichkeit sind wichtige Eigenschaften, genauso wie Fairness. Irgendwann sagt das Pferd dann: OK, ich vertraue dir. Bis es soweit ist, bin ich dann aber häufig schon mit blutigen Händen nach Hause gefahren, weil mir der Strick von Pferden durch die Hände gerissen wurde. Aber auch das ist letztlich positiv: Negative Energie, die aus der Hand gleitet.  

Welches sind die Schwierigkeiten, die du am häufigsten lösen sollst?

Meist fängt es mit Verladeproblemen an. Daraus ergibt sich meist mehr, manchmal bis hin zur Freiheitsdressur.

Stimmt es eigentlich, dass Du mal angesprochen wurdest, „Pferdeprofi“ im Privatfernsehen zu werden?

Ja, aber das ist nicht meins. Ich arbeite lieber im Hintergrund als vor der Kamera. Ich möchte mich auf die Pferde konzentrieren und nicht auf eine Kameraeinstellung.

Was müssten die Pferdefreunde und Reiter dieser Welt anders oder besser machen – welche kleine „Weisheit“ kannst Du ihnen mit auf den Weg geben?

Pferde sind keine Sportgeräte. Sie empfinden Gefühle wie Trauer, Freude und Spaß und sind dem Menschen ähnlicher, als viele Leute es vermuten würden. Sie sind eine eigene Meinung auf vier Hufen!

 

Finden Sie weitere Informationen zu „dem Michel“ auf seiner Website unter www.michel-hansmeyer.de und tolle Videos unter www.kkp-prinzip.de, benannt nach seinem gleichnamigen Buch (Kommunikation.Konsequenz.Partnerschaft). Live ist er bei Workshops auf dem Reiterhof Frenz zu erleben. Hier bei uns coacht er Pferdefans und Reiter.

Das Interview führte Anja Uhr